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Nicht jede Pfeife ist ein Whistleblower…

oder – wenn Rechte Spear-Phishen

Zum Text, der unter dem Namen Sebastian Friebel unter dem Titel „Wie soll es weitergehen“ im Internet veröffentlicht wurde

Seit September geht ein Text um, der es schafft, in viele Bevölkerungsteile vorzudringen. So weit, dass ich es als notwendig erachte, meine Lebenszeit damit zu verbringen, einen Blogbeitrag dazu zu verfassen. Der Grund ist, dass es mir Sorge macht, wie dieser professionell erstellte und strategisch verteilte Text es mit seinen strategisch eingesetzten Stichwörtern schafft, in die Hirne von Menschen einzudringen, die nicht so geübt sind, rechte Rhetorik zu erkennen. Und dass er sich in seiner gefeilten Rhetorik an sich eher als politisch links oder liberal einstufende Menschen richtet, indem er versucht, deren Sprache aufzunehmen und Menschen wie Sarah Wagenknecht von der Linkspartei zu zitieren.

Um nicht missverstanden zu werden: Ich begrüße politische Aktivität! Die Lage der Welt ist nicht ideal und politisch aktiv zu sein oder zu werden ist wichtig. Auch ist es wichtig, sich gegen die Einschränkung von Grundrechten einzusetzen. Dazu gehört aber für mich auch, diese Grundrechte für alle einzufordern, nicht nur für Menschen des gleichen Untenrums oder der gleichen Hautfarbe. Und im Zuge dieses Textes möchte ich nochmals dazu aufrufen: Schaut euch die Leute also an, die versuchen, euch vor ihren Karren zu spannen. Schaut an, was sie für Menschenbilder haben und mit wem sie sich herumtreiben. Wer mit Rassit:innen und Faschist:innen auf die Straße geht, ist keine Freiheitsheld:in sondern ein:e Mitläufer:in.

Der Text

Eine kurze Zusammenfassung des Textes:

  • Jemand behauptet, ehemaliger Berater im Bundestag gewesen zu sein, zieht sich das Mäntelchen eines Whistleblower über und verspricht in der Manier eines weißen Ritter in einer Verschwörungstheorie, dass der Bevölkerung wichtige Informationen vorenthalten werden. Und er alles enthüllen würde.
  • In dem Text steckt eine Menge Arbeit:
    • Hochglanzdesign (ironischer Weise dem vieler Veröffentlichungen der Bundesregierung nachempfunden)
    • Professionelle Bilder
    • Text ist professionell Überarbeitet
    • Text ist rhetorisch komplett durchorchestriert, wobei ein Schwerpunkt darauf gelegt wird, die rechte Gesinnung auch an rhetorisch ungeübte nicht-rechte Leserinnen und Leser zu verfüttern
  • Das Hochglanz-Schriftstück endet damit, das die Behauptung aufgestellt wird, dass alle Kritik an der Regierung in die rechtsradikale Ecke gestellt und im Anschluss orakelt wird, dass dies auch „dem Verfasser“ des Textes passieren würde.
    • Dies ist ein Taschenspielertrick der schwarzen Rhetorik: Der Text besteht vor allem aus eindeutig rechten Mythen und Argumentationsmustern sowie Bildern (als vorletztes Bild das von glücklichen Blonden Kindern in oberbayerisch inspirierter Tracht […]).

Erst rechts zu argumentieren und dann im Vorhinein zu heulen, dass man als rechts oder rechtsradikal erkannt werden könnte, ist billig, kann aber bei dem Thema nicht so geläufigen Menschen die Mitleidstaste drücken.

  • Falls der Autor (bzw. das Autorenteam, das an diesem Text beteiligt war) wirklich nicht rechts oder rechtsradikal auftreten wollte – dann wären keine rechten Pauschalen benutzt worden und es eine klare Abgrenzung gegen rechte Gesinnung hätte Sinn gemacht.
  • Zu jammern, dass diejenigen, die sich rechter und rechtsradikaler Rhetorik benutzen, in die rechte Ecke gestellt werden ist auch noch falsch: Da hat sich der Text mit seiner Argumentationsweise schließlich selbst dort verortet und scheint dort wohlig verwachsen.

Hier aber noch die Meinung der Profis von RechteMedienInfo, die dem ganzen hier einen guten Artikel gewidmet haben.

Zu den Quellen

  • Zudem sind Quellen falsch genutzt und oft so unvollständig angegeben, dass sie nicht nachprüfbar sind wie etwa, wenn „Youtube.com“ als Quelle genannt wird
  • Trotz der Beteuerungen im Text, die Leser (der Text ist bis auf die Zwischenüberschriften nicht gegendert) aufzufordern, die angegebenen Quellen zu überprüfen, sind diese so angegeben, dass dies enorm erschwert wird
  • Teile der Quellen sind falsch gesetzt und bestätigen nicht die Meinung des Autors, sondern das Gegenteil

Prüfen, überlegen, handeln

Meine große Bitte an alle: BITTE lest die Sachen in Ruhe durch, bevor ihr sie weiterleitet. PRÜFT alles, was ihr Prüfen könnt – bis in die Metadaten und fragt andere um Hilfe und ihre Meinung zum Thema. ÜBERLEGT wem ihr da gerade helft, wenn ihr die betreffende Nachricht weiterleitet. NUR weil jemand SAGT er_sie_es sei nicht rechtsradikal heißt das noch GAR NICHTS. Es zeigt sich, dass die wenigsten Nazis mit der Bezeichnung „Nazi“ zufrieden sind. Zudem gibt es kein typisches Aussehen rechtsradikaler Menschen, also bitte nicht das Argument „Ich habe da gar keine Nazis gesehen!“ aus dem Sack ziehen, wenn es um Demos etc. geht. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist nicht an Äußerlichkeiten zu erkennen, hat keinen Kleidungsstil und muss auch sonst nicht gekennzeichnet werden. Rassismus funktioniert ohne bestimmte Gesichtszüge.

Der Text liest sich für mich wie ein analoges Spear-Phishing. Da hat jemand eher Linke als Beeinflussungspublikum ausgemacht und versucht es mit einem Potpourri an Begriffen, dieses Publikum ins Netz zu ziehen.

Überwachte Welt

Wir leben leider jetzt schon in einer überwachten Welt, in der sehr viele verschiedene Seiten versuchen, uns zu beeinflussen. Das ist grundsätzlich doof, darin stimmen wir überein. Dafür Lösungen bei rechten Rattenfängern, die sich eine teure Klamotte übergezogen haben, zu beziehen führt uns aber in keine schöne Zukunft.

Lösungen fern von rechten Erzählungen

Beeinflussungen zu umgehen, ist ein gutes Ziel. Wir alle können dazu beitragen, indem wir freie Software, möglichst gute Hardware und keine Produkte von Google, Telegram, usw. benutzen, macht zumindest für mich logisch sehr viel mehr Sinn.

Seit Jahren versuchen Rechte es mit verschiedenen Methoden, für sie „linke“ Gebiete zu erobern. Egal, ob im realen Leben, indem sie gezielt in bestimmte Gebiete ziehen um diese „zu übernehmen“ oder sich SocMe („Soziale Netzwerke“) und andere Ausgeburten der Digitalisierung nutzen, um, zuerst unerkannt, Menschen zu beeinflussen und ihnen rechte Thesen ins Ohr zu wispern.

Lasst euch nicht rein legen, die rechte Pampe, in die sie euch ziehen wollen, ist einfach nur eklig.

Wer mehr zu Rechten und ihrer gekonnten Nutzung von SocMe für ihre Zwecke interessiert, dem sei Julia Ebners Buch „Radikalisierungsmaschinen“ empfohlen.

Ebner, Julia. Radikalisierungsmaschinen : wie Extremisten die neuen Technologien nutzen und uns manipulieren / Julia Ebner ; aus dem Englischen von Kirsten Riesselmann. Berlin: Suhrkamp, 2019.