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Kinder und „Social Media“

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Auf meinen Veranstaltungen und Forschung ist das Thema von Kindern und sogenannten „Social Media“ immer wieder ein Thema. Spürbar sind Unsicherheiten auf allen Seiten. Kurze Gedanken zum Thema.

Computer in verschiedenen Formen sind seit Jahren in unseren privaten Raum und auch in Kinderzimmer gezogen. Mit den sogenannten „Smartphones“ oder Smarps sind sie Erwachsenen, Heranwachsenden und Kindern auch in die Taschen gekrochen.

Der Zugang zum Internet, den die Geräte bieten, ermöglicht Kindern Zugriff auf viele spannende Themen, die Kommunikation mit anderen, viel Unterhaltung und Ablenkung.

Zum Teil sind es auch die Schulen, die mit der Verteilung von Aufgaben über Diensten wie WhatsApp oder anderen sogenannten Social Media oder SocMe – aus der Perspektive des Datenschutzes eine Katastrophe, die Abhängigkeit von Kindern und Heranwachsenden von internetfähigen Geräten.

„Smart-“ kann immer durch „Spionage-“ oder „Überwachung-“ ersetzt werden

Nicht zu vernachlässigen sollte in der Diskussion sein, dass es sich bei sogenannten Smartphones fast immer um unsichere Geräte mit großen Möglichkeiten der Spionage und Überwachung handelt. „Smart-“ kann immer durch „Spionage-“ oder „Überwachung-“ ersetzt werden, so wird einfach klarer um was für Technologie es sich handelt: Ein Überwachungstelefon.

Viele Apps für Kinder strotzen nur so vor Überwachungs- und Abhörprogrammen. Selbst in der von vielen Eltern für sicher gehaltenen KiKa-App wurde von Mike Kuketz zahlreiche Überwachungsprogramme gefunden.

Fehlende Privatsphäre

Die fehlende Privatsphäre der Kinder wird dadurch verstärkt, denn geschädigt wurde die Privatsphäre meist schon seit oder sogar vor der Geburt durch ihre Eltern: Durch das Veröffentlichen von maschinenauslesbaren Bildern im Netz, oft auf SocMe wie Facebook.

Die meisten Dienste, die Kinder dann später im Netz nutzen, sind „umsonst“ und somit mit Daten bezahlt. Eltern und Erzieher:innen ist dies oft nicht bewusst. Aber Bezahlen ist auch nicht immer eine Rettung: Teure Spielkonsolen haben übrigens meist ein ähnliches Spionagepotential.

Affe sieht, Affe macht – Aufmerksamkeitskonkurrenz

Ein weiteres Problem sind die Vorbilder: Viele Kinder haben sehr früh schon ein eigenes Smarp, dass wollen andere Kinder dann auch. Aber das eigentliche Problem sind die Erwachsenen, die ihre Aufmerksamkeit immer wieder auf ihre sie überwachende Streichelmaschine richten.

Kinder stehen in unserer Gesellschaft oft in Bezug auf die Aufmerksamkeit ihrer Bezugspersonen in der Konkurrenz zum Smarp. Eltern erledigen „noch schnell“ etwas auf dem Smarp und verschwinden dort für längere Zeit oder blicken oft nicht mehr in den Kinderwagen, sondern auf das Smarp.

Sucht und Dopamin

Dieses totale Versinken, die eingefangene Aufmerksamkeit durch die Maschine oder durch die auf ihr laufenden Programme, ist von den Entwickler:innen und den vertreibenden Firmen wie Meta/Facebook, ByteDance/TikTok gewollt.

Social Media ist immer gamifiziert. Wer mehr darüber lesen will, findet auf diesem Blog mehr Beiträge, unter anderem das Video „Gamified Control“.

Kinder, die Kinderpornografie verbreiten

Während die wenigsten von uns Kinder alleine hinter dem Frankfurter Hauptbahnhof lassen würden, dürfen Kinder alleine ins Netz. Und damit haben sie Zugriff auf praktisch alle Inhalte im Netz. Und die beinhalten eben auch nicht nur niedliche Kätzchenvideos, sondern auch viele Videos mit Gewalt, wie die von Kätzchen, die in Mixern zerstückelt werden.

Kinder können so extrem früh mit der Darstellung von sexualisierter Gewalt in Kontakt kommen, über die meisten Schulchats werden pornografische Inhalte verbreitet. Und unter Kinder und Jugendlichen werden oft auch pornografische Bilder und Videos von Kindern und Jugendlichen verschickt – in Deutschland eine Straftat.

Aber abgesehen von der Strafbarkeit – was macht es mit Kindern und Heranwachsenden, wenn sie so früh mit solchen gewalttätigen Inhalten konfrontiert werden?

Wie kann ich Kindern und Heranwachsenden helfen, mit diesen Erlebnissen umzugehen?

Wenn Kinder oder Heranwachsende etwas traumatisches erlebt haben, trifft das bei Erwachsenen oft auf Hilflosigkeit. Entweder es wird vermutet, dass die Kinder in der eigenen Umgebung nicht davon betroffen sein könnten – ein Phänomen, dass leider auch auf den Bereich der analogen sexualisierten Gewalt an Kindern zutrifft. Oder die eigene Hilflosigkeit wird von den Kindern vermittelt, die dann im schlimmsten Fall das Gefühl vermittelt bekommen, die Erwachsenen in ihrem Umfeld nicht durch ihre Probleme belasten zu können. Oder, dass sie versagt hätten oder etwas falsch gemacht hätten, weil sie mit den verstörenden Inhalten konfrontiert wurden.

Wege aus der Misere

Das Internet ist um uns herum gewachsen, aber die Nutzung von Diensten ist in den meisten Bereichen nicht verpflichtend.

Eine gute Möglichkeit Kinder zu schützen und zu unterstützen ist, sich mit den Programmen, die Kinder nutzen, zu beschäftigen. Und die AGB zu lesen. Denn das ist Vertrag oder, schärfer formuliert, dass sind die Bedingungen, unter denen Sie ihr Kind an eine Firma und sehr viele weitere Dienste, die mit dieser Firma verkettet sind, ausliefern.

Schauen Sie sich die Spiele an, die Kinder spielen. Und denken Sie nicht, dass ihr Kind und sein Freundeskreis nicht mit verstörenden Inhalten konfrontiert werden. Fragen Sie konkret danach, wie es mit so etwas umgeht und vermitteln Sie beim Gespräch nie, dass die beste Antwort sei, dass so etwas noch nie vorgekommen sei. Kinder sind nicht dumm, sondern meist geübter als Erwachsene, Körpersprache zu lesen. Zeigen Sie, dass Sie, falls in der Zukunft etwas eintritt, angesprochen werden können.

Schaffen Sie Alternativen: Kinder können auch über das Festnetz und einen heimischen Computer erreichbar sein. Nehmen Sie sich Zeit, zusammen mit ihrem Kind ins Netz zu gehen, zusammen Dinge zu lernen. Statt digitale Medien und die Firmen dahinter als Umsonst-Babysitter zu nutzen.

Schrei nach Autoritäten und technologischen Lösungen

Oft wird dann nach Autoritäten oder technologischen Lösungen geschrien: So wie nach Ausweiskontrolle auf Porno-Portalen oder technologischen Filtern auf Videoplattformen.

Wer Filter kennenlernen will, kann sich mit der dunklen Seiten von Youtube & Co beschäftigen, an dieser Stelle fehlt die Zeit, aber es meist Menschen, die unter traumatischsten Bedingungen dafür sorgen, dass wir die niedlichen Kätzchenvideos sehen und nicht die des Tierkindes im Mixer. Der Film „The Cleaners“ zeigt die Umstände sehr eindringlich.

Und wer länger über eine Ausweispflicht, eine Klarnamenregistrierung, im Internet nachdenkt, wird hoffentlich zu dem Schluss kommen, dass dies ein herzhafter Sprung in das Reich des Autoritarismus ist.

Also: Zeit mit Kindern und Jugendlichen verbringen, sie begleiten und die AGB lesen sind die steinigen Wege – aber sie ermöglichen beiden Seiten ein Lernen und ein Wachsen. Und unzählige Fachleute und Gruppen wie Chaos macht Schule vom CCC bieten Hilfe.

Das Internet mit seinen zum Teil grausamen Inhalten ist ein soziales Problem, kein technologisches. Und so kann ihm sozial begegnet werden: Sie können Kindern wie Heranwachsenden in ihrer Umgebung vermitteln, dass sie mit jedem Thema zu einem kommen können – und erscheine es auch noch so schwierig. Und dem Problem der technisch vermittelten schlechten Erfahrungen eine soziale Lösung entgegensetzen.