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Privatsphäre nein danke? EU greift die durch Verschlüsselung an

Wie der ORF am 11. November 2020 berichtete, wird nach dem Terroranschlag von Wien (wieder einmal) geplant, die Verschlüsselung von digitaler Kommunikation anzugreifen. Der Journalist Erich Moechel veröffentlichte ein Papier der Europäischen Kommission, indem weitreichende Einschränkungen der Verschlüsselung vorgesehen sind.

Verschiedene Datenschutzvereinigungen wie das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF e.V.), die Gesellschaft für Informatik (GI) und der Chaos Computer Club (CCC) wenden sich dagegen.

Immer wieder wird „Terror“ Einzelner dazu gebraucht, die Freiheit aller einzuschränken. Erich Moechel weist darauf hin, dass die Initiative gegen Verschlüsselung im Falls des Anschlags von Wien keinerlei Verbesserung gebracht hätte:

Mittlerweile wird zwar immer klarer, dass offenbar haarsträubende Ermittlungsfehler im BVT den Anschlag erst ermöglicht hatten und nicht fehlende digitale Überwachungsbefugnisse. Ob irgendein solcher Zusammenhang zur Tat besteht, ist allerdings unerheblich. In Brüssel wird so ein Anlass seit 25 Jahren mit schnöder Regelmäßigkeit dafür missbraucht, längst geplante Überwachungsvorhaben durchzusetzen.

Erich Moechel https://fm4.orf.at/stories/3008930/

Die inzwischen einfach zu verwendende und sehr sichere Verschlüsselung, etwa von Emails oder die integrierte Verschlüsselung von sogenannten Messenger-Diensten, ist schon seit ihrem Gebrauch außerhalb von Geheimdiensten eben diesen Diensten ein Dorn im Auge – und, wie Moechel in seinem Artikel aufzählt, jeder Anschlag wurde bisher genutzt, um Überwachungsmaßnahmen der Allgemeinheit durchzusetzen

Ob irgendein solcher Zusammenhang zur Tat besteht, ist allerdings unerheblich. In Brüssel wird so ein Anlass seit 25 Jahren mit schnöder Regelmäßigkeit dafür missbraucht, längst geplante Überwachungsvorhaben durchzusetzen. Auf diese Weise wurde die fünf Jahre lang in der EU umstrittene Vorratsdatenspeicherung nach den Zugsanschlägen in Madrid (2004) und London durch Islamisten (2005) durch den Ministerrat und das Parlament geschleust.

Erich Moechel https://fm4.orf.at/stories/3008930/

Das dieses Vorgehen nicht neu ist, vollzieht der FIfF in seiner Presseerklärung detailliert nach.

Die organisatorische, juristische und technische Infrastruktur, die nötig wäre, um die postulierten Zugriffsmöglichkeiten (Backdoors) zu ermöglichen, stünden dabei zwangsläufig Behörden aus allen europäischen Mitgliedsstaaten zur Verfügung – auch denen, die in den letzten Jahren zunehmend in autokratische Fahrwasser gelangt sind

Alexander Prehn in der Presserklärung des FIfFs

Zudem zeigt das FIfF, dass die geforderten Maßnahmen die Falschen träfe:

Eine derartige gesetzliche Regelung würde also nur dazu führen, dass der Großteil der Bevölkerung unsicher kommuniziert – und damit anfälliger für Kriminalität wäre, während ein kleiner Teil der Gesellschaft, auf den die in dem Papier beschriebenen Maßnahmen abzielen, leicht den Mehraufwand investieren kann, um auch weiterhin verdeckt kriminell zu agieren – die Maßnahme träfe also nur die Falschen.

Aus der Presserklärung des FIfFs

Auch die GI kritisiert die Planungen hart:

Das Grundrecht auf Verschlüsselung ist wichtig für unsere Demokratie – so wie es das Postgeheimnis in der analogen Welt war. Geheime Kommunikation lässt sich weder mit einem Generalschlüssel noch mit einem Verschlüsselungsverbot wirksam verhindern. Kriminelle könnten etwa auf unbeobachtbare Kommunikation mit Steganographie ausweichen.“

GI-Präsident Prof. Dr. Hannes Federrath in der Presseerklärung der GI

und geht auch auf den fehlenden Bezug zur Tat in Österreich ein

Die geplante Aufweichung von Ende-zu-Ende-verschlüsselter Kommunikation wird mit Verweis auf aktuelle Terror-Angriffe in Frankreich und Österreich begründet, obwohl verschlüsselte Kommunikation nach bisherigem Erkenntnisstand weder bei der Vorbereitung noch bei der Aufklärung der Taten eine Rolle spielt.“

GI-Präsident Prof. Dr. Hannes Federrath in der Presseerklärung der GI

Auch der Chaos Computer Club kritisiert diese Punkte:

Gerade das Feld der Ende-zu-Ende-verschlüsselten Messenger ist essentiell für die weitere Innovation in der Online-Kommunikation und -Wirtschaft. Die Vertrauenswürdigkeit und Sicherheit der digitalen Kommunikation liegt auch der EU-Kommission am Herzen, die ihre Mitarbeiter Anfang des Jahres eindringlich zur Nutzung verschlüsselter Messenger drängte.

Diese Sicherheit nun zu unterminieren, ist eine klare Gefährdung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Sicherheit: In einer digitalisierten Welt brauchen Unternehmen Schutz vor Wirtschaftsspionage und Bürgerinnen Schutz vor allumfassender Überwachung durch Konzerne, Regierungen und Kriminelle. Dieser noch lückenhafte Schutz muss jetzt massiv ausgebaut werden, wenn wir unsere liberale Gesellschaft und wirtschaftliche „Vorreiterstellungen“ erhalten wollen.

Presseerklärung des CCC

und verweist auf einen Essay von Philip Zimmermann und auf internationale Tendenzen, sichere Verschlüsselung anzugehen, denn auch Länder wie China, Indien, Iran sowie die sogenannte Fünf-Augen-Koalition der Staaten der UKUSA-Vereinbarung.

Soll die Privatsphäre beerdigt werden, eilen die meisten Staaten mit der Schippe herbei… Dass die Privatsphäre die Grundlage und Grundbedingung freier(er) Gesellschaften ist, wird geflissentlich ignoriert.