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Wie viel Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist noch lebbar?

Ein Satellit in Augenform der die Erde beobachtet

Gerade sitze ich an einem Essay über das in dem sogenannten “Volkszählungsurteil” festgelegtem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Und habe jeden Morgen, wenn ich die Nachrichten lese und höre, das Gefühl, dass ich aufgrund der neusten Entwicklungen den Artikel wieder umschreiben sollte.
Hier ein kurzer Abriss der neusten Abscheulichkeiten und Möglichkeiten der Gegenwehr:

Eigentlich verfügen alle in Deutschland lebenden Personen seit dem Verfassungsgerichtsurteil von 1983 ein von Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes, dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetzes, der Unantastbarkeit der Menschenwürde, abgeleitetes Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Verkürzt gesagt ist es das Recht, über die die eigene Person gespeicherten Daten zu erfahren und zu bestimmen.

In der Realität wird es in der Gesetzgebung und politischen wie wirtschaftlichen Umsetzung oft nicht als besonders Relevant angesehen, hier zwei der letzten Entwicklungen:

UTIQ-Überwachung

Netzpolitik und D64 berichten, wie die wirtschaftlichen eigentlich konkurrierenden Telefonunternehmen in Deutschland eine gemeinsame Tochterfirma gründeten, um das Online-Verhalten ihrer Kund:innen auszuspionieren.

Es ist von der Europäischen Kommission am Februar 2023 erlaubt worden und ist standardmäßig aktiv.

Der Zweck ist natürlich Werbung, das Versprechen ist dreister Weise Datenschutz.

Mike Kuketz schreibt in seinem Blog eine super Anleitung, wie man sich für ein Jahr davon befreien kann. Das Erteilen eines zeitlich unbeschränkten Verbots des Ausspionierens kann derzeit nicht erteilt werden.

Google will Telefonate “scannen” – also standardmäßig abhören

Das uralte Argument, mit mehr Überwachung mehr Sicherheit zu schaffen, wird nun von Alphabet/Google auch für Telefonate verwendet. Natürlich nur, um uns vor Betrugsanrufen zu beschützen.

Es schockt nicht wirklich, da Google meines Wissens nach auch der erste Emailanbieter war, der den elektronischen Briefkontakt seiner Kundschaft standardmäßig überwachte, um sie vor Spam zu schützen.

Damals war ich, um es gelinde zu formulieren, schockiert, dass Menschen dies akzeptierten. Interessant fand ich, dass die Menschen, mit denen ich sprach mir sagte, es wäre für sie kein Eingriff in ihre Privatsphäre, weil die Schreiben ja “nur” maschinell gescannt würden, nicht durch Menschen.

Subjektive Wahrnehmung von Überwachung.

In ihrem aktuelle Podcast reboot politics sprechen Stephanie Henkel @ueckueck@dresden.network und Florian Karow @zwecki@dresden.network unter anderem auch über diese Entwicklung.

Die gute Nachricht: Assange hat das Recht auf ein Berufungsverfahren

Gute Nachrichten im Bereich der Digitalisierung im Zusammenhang mit Datenschutz und Menschenschutz sind ja eher rar gesät, aber sie sollten erwähnt werden: Wikileaks-Gründer Julian Assange hat vor dem britischen High Court das Recht auf Berufungsverfahren erstritten.

Elektronischer Briefkasten des Verbraucherschutzes geöffnet

Zum Schluss noch etwas zum aktiven Schutz: Unter https://www.verbraucherzentrale.de/beschwerde können einfach online Beschwerden über unartige bis unverschämte Unternehmen, Produkte oder Anbieter abgegeben werden.

Wer weiß was über mich? Datenabfrage mit Datenschmutz

Wer keine Lust hat, nur Objekt von Datensammelbegierden zu sein, kann von seinem Recht auf Information über die eigene Person verfügbaren Daten Gebrauch machen.

Mit Hilfe der Seite https://datenschmutz.de/ kann jede:r von Behörden und auch gewerbliche Datenbanken Berichte der über sie gesammelten Informationen anfordern.